Ueber das Stottern / von J.A. Ssikorski ; ins deutsche übertragen unter der Redaction von V. Hinze.

  • Sikorskiĭ, I. A. (Ivan Alekseevich), 1842-1919.
Date:
1891
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Ueber das Stottern / von J.A. Ssikorski ; ins deutsche übertragen unter der Redaction von V. Hinze. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by Royal College of Physicians, London. The original may be consulted at Royal College of Physicians, London.

    307/396 (page 291)
    zweiten: reflectirte, geistige, rythmische, Flüstersprache, Lesen, Recitation, Declamation und Unterredung. Alle diese Formen der sprachlichen Gymnastik waren den alten Aerzten bekannt und bildeten einen wesentlichen Theil der damaligen Hygieine, welcher als Hygieine der Sprache — vyisivij äwffwvfjteooc1) bezeichnet wurde. Die gegenwärtigen Kunstgriffe der sprachlichen Gymnastik, die in vielfachen »eignen Methoden« der Autoren niedergelegt sind, stellen meistentheils verunstaltete Reste dieser antiken Sprachgymnastik dar und werden schablonenhaft in allen Fällen und Stadien des Stotterns und ohne Berücksichtigung der Indication angewandt. Mir steht desshalb eine recht schwere und complicirte Aufgabe bevor, die Methoden der sprachlichen Gymnastik darzustellen und die Indicationen zur Anwendung des einen oder anderen Kunstgriffs festzustellen. Die Gymnastik oder Didaktik der Sprache ist sicherlich auf empirischem Wege entstanden, wahrscheinlich auf dieselbe Weise, wie sie in der Folge durch die Energie Leigh’s wieder- geboren wurde. Mag auch die Bedeutung der sprachlichen Gymnastik nicht selten überschätzt werden, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass sie ein mächtiges Mittel zur Bekämgfung der Stotterkrämpfe darbietet. Das Wesen dieser therapeutischen Maassregel besteht in einer derartigen Combination der sprachlichen Bewegungen, dass einer offenbar krampfhaften Bewegung eine normale voran- geschickt wird, was schon ein jeder Stotterer instinctiv thut (cf. S. 261—262) und zeigt die Erfahrung, dass auf diesem Wege der Stotterkrampf aufgehalten werden kann; die wahr- scheinliche physiologische Erklärung dieser Erscheinung ist be- reits auf S. 262 gegeben worden. Da beim Anfall, selbst in seinen schwersten Formen, nicht sämmtliche Sprachmechanismen ergriffen werden, so steht der Therapie hier der Weg offen, durch Combination gesunder Mechanismen mit kranken erstere wieder herzustcllen. Als einfachstes Beispiel hierfür dient das Voranschicken vocaler Bewegungen den articulatorischen und umgekehrt, speciell werden bei Neigung zu Zungenkrämpfen Bewegungen der Lippen solchen der Zunge und umgekehrt vor- angeschickt, ähnlich wird bei Tendenz zu krampfhafter Erhe- bung der Zungenwurzel eine solche der Zungenspitze gemacht u. s. w. Ist man mit der Physiologie der Sprache und der Symptomatologie des Stotterns vertraut, so kann man mit Leichtigkeit coordinirte Bewegungen zusammenstellen, welche 1) Oribase, Oeuvres compl T. 1, p 452 19*