Ueber das Stottern / von J.A. Ssikorski ; ins deutsche übertragen unter der Redaction von V. Hinze.

  • Sikorskiĭ, I. A. (Ivan Alekseevich), 1842-1919.
Date:
1891
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Ueber das Stottern / von J.A. Ssikorski ; ins deutsche übertragen unter der Redaction von V. Hinze. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by Royal College of Physicians, London. The original may be consulted at Royal College of Physicians, London.

    40/396 (page 24)
    scheinlich lag der Gedanke an eine operative Behandlung des Stotterns schon schlummernd in den Gemüthern. Bevor noch in Paris die Einzelnheiten der Dieffenb ach'sehen Operation be- kannt geworden waren, begannen viele Chirurgrn Stotternde zu operiren und mit grosser Eilfertigkeit von ihren Resultaten in der Akademie der Wissenschaften und in gelehrten Gesellschaften zu berichten. Der Pariser Chirurg Philips hatte am 6. Februar operirt und berichtete darüber bereits am 8. Februar in der Akademie der Wissenschaften; in der Sitzung am 15. Februar theilte Amussat zwei von ihm Tags vorher mittels Durch- schneidung des M. genioglossus operirte Fälle mit, wobei er erzählte, dass bei beiden Kranken die Zunge zu kurz war und nicht frei nach oben bewegt werden konnte, beim Herausstrecken sich aber bald nach rechts, bald nach links bewegte. Nach ge- machter Mittheilung erwiderte unter allgemeiner Zustimmung aller Mitglieder der Professor der Physiologie Gerdy sehr ener- gisch, dass die Bekanntschaft mit der Sprachthätigkeit jede Wahrscheinlichkeit einer operativen Hülfeleistung beim Stottern . ausschliesse. Am 16. Februar berichtete Yelpeau der Akademie über von ihm an Stotternden ausgeführte Operationen, und in der Sitzung am 22. Februar stattete Amussat einen Bericht über 7 neue Durchschneidungen des M. genioglossus ab, welche er in der letzten Zeit gemacht hatte und bestand darauf, dass die Akademie auf der Sitzung selbst zwei von ihm absichtlich mitgebrachte Kranke untersuchen möchte. Endlich schlug im März der Lyoner Chirurg Bonnet seine Methode der Myotomie des M. genioglossus vor, welche sich von der Amussat’schen dadurch unterschied, dass das Messer nicht durch die Mund- schleimhaut, sondern durch die Kinnhaut in den Muskel einge- führt wurde. Das Operiren wurde mit einem solchen Uebereifer betrieben, dass manche sich nicht einmal die Mühe gaben, den Kranken vor dem Schneiden genau zu untersuchen, und klagt einer der Akademiker sehr richtig: on coupe de tous les cötes!1) Viele Mitglieder der Akademie waren über dieses eilfertige Mittheilen unbedacht ausgeführter Operationen sehr entrüstet, deren Berichte fast immer mit der stereotypen Be- merkung schlossen, dass der Operirte zu vollster Verwunderung der Assistenten und der Aerzte (es wurden hierbei die Namen 1) Viele veröffentlichten sogar die Adressen der Operirten und be- zeichneten die Stunde, zu welcher ein Jeder, der sich für den Erfolg der Operation interessirte, sie sehen konnte; freilich tbaten die nach Leigh Behandelnden dasselbe.