Lehrbuch der gerichtlichen Medicin für Aerzte und Juristen : nach eigenen und fremden Erfahrungen / bearbeitet von Ernst Buchner.

Date:
1867
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Lehrbuch der gerichtlichen Medicin für Aerzte und Juristen : nach eigenen und fremden Erfahrungen / bearbeitet von Ernst Buchner. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by the Royal College of Physicians of Edinburgh. The original may be consulted at the Royal College of Physicians of Edinburgh.

    452/482 (page 430)
    § 425. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Kunstfehler und ungünstigem Erfolg muss nach den allgemeinen Regeln beurtheilt werden, die in diesem Lehrbuche bei den Gesundheits- Beschädigungen (§ 198 u. ff.) erörtert worden. Wohl muss ins Auge gefasst werden, ob denn der ungünstige Erfolg Wirkung des Kunst- fehlers war und nicht Folge des vorliandenen krankhaften Vorgangs überhaupt. Ferner muss dann bei der Erforschung des ursächlichen Zu- sammenhangs zwischen der Thätigkeit des Arztes — Handeln und Unter- lassen desselben — und dem nachfolgenden ungünstigen Ausgange wohl ins Auge gefasst werden, ob die Thätigkeit des Arztes die alleinige Ursache des erfolgten ungünstigen Erfolges gewesen, oder ob nicht mit- wirkende Ursachen statt gehabt haben; — ob nicht die individuelle Körperbeschaffenheit, die dem Arzte unbekannt war und nicht bekannt seyn konnte, von ungünstigem Einflüsse war; — ob nicht ungeeignetes Verhalten des ärztlichen Behandelten z. B. Unfolgsamkeit gegen die ärztlichen Anordnungen statt hatte; — ob nicht andere äussere zu- fällige Umstände: ungeeigneter Aufenthalt, Temperaturverhältnisse, Wit- terungswechsel etc. ungünstigen Einfluss hatten; — ob diese Umstände nicht für sich allein den ungünstigen Ausgang herbeigeführt haben, beziehungsweise ob der Kunstfehler den ungünstigen Erfolg nicht aii und für sich nur wegen dieser mitwirkenden Ursachen gehabt hat? In Beziehung auf das Verhalten des Kranken kömmt in manchen Fällen wohl zu beachten, dass der Arzt Nichts zu befehlen hat, sondeni nur zu rathen. Nicht als zulässig erscheint, wenn von Seite der Eechtspflege, wie hin und wieder geschieht, die Frage gestellt wird, ob nicht durch das ärztliche Verfahren das Leben abgekürzt worden, und aus deren Bejahung auf Kunstfehler geschlossen und nach den gesetzlichen Bestimmungen über fahrlässige Tödtung vorgegangen wird. Ein solches Vorgehen von Seite der Eechtspflege niüsste alle ärztliche Kunst lähmen. Wie häufig unternimmt nicht der Arzt, um einen dem Tode Verfallenen zu retten, eine zweifelhafte Behandlung, eine Operation, deren Erfolg unsicher ist? Gelingt sie, so ist der Kranke gerettet, missglückt sie, so stirbt der Kranke ein paar Tage früher, als ausserdem wahrscheinlich gewesen wäre. Ja noch mehr, um ein Uebel zu heben, unternimmt der Arzt eine Operation; sie misslingt und der Kranke stirbt, während er ohne Operation das Leben nicht verloren haben würde. Man kann in solchem Falle den Arzt nicht der Tödtung beschuldigen. Man muss immer festhalten, dass der Arzt das Beste des Kranken will, und dass er demnach das thut, was er als das Beste für den Kranken erkannt hat, dass aber der Erfolg nicht allein in der Hand des Arztes gelegen ist. Man kann daher im Allgemeinen den Arzt nicht verantwortlich machen für den Erfolg seiner Kuren, so lange nicht