Grundriss der Physiologie des Menschen / von Karl Vierordt.

  • Vierordt, Karl von, 1818-1884.
Date:
1862
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Credit: Grundriss der Physiologie des Menschen / von Karl Vierordt. Source: Wellcome Collection.

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    scheimiugen. So studirt man z. B. gewisse Erscheinungen des Stoffwechsels an den viel einfacheren Vorgängen der physikalischen Endosmose; man konstruirt hydraulische Apparate zur Yersinulichung von Einzelerscheinungen des Blutlaufes u. s. w. 2) Man experimentirt an abgelösten Bestandtheilen des Organismus, vor- ausgesetzt , dass die Theile ihre wesentlichsten Lebenseigenschaften noch be- wahrt haben. Man untersucht z. B. die Wirkungen der einzelnen, dem Körper entnommenen Verdauungssäfte auf die Nährstoffe; man erforscht die Gesetze der Muskelthätigkeit an auspräparirten Muskeln u. s. w. Die Analogie mit den Vorgängen im unversehrten Körper ist hier viel grösser als im ersten Fall. 3) Man erforscht die Lebenserscheinungen an gesunden oder erkrankten Or- ganismen selbst, entweder beobachtend oder experimeatirend, indem man in letz- terem Fall das'Beobachtungsobject willkürlich, unter Umständen in eingreifender Weise (z. B. Vivisectionen) verändert. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Ver- such keine Störungen setze, deren Folgen ganz unberechenbar sind, wie es in vielen fehlerhaft angelegten Versuchen der Fall ist. Dass der Organismus selbst, wenn es irgend ausführbar ist, den Vorzug ver- dient vor den übrigen Versuchsobjecten, ist einleuchtend. Eine in neuerer Zeit mit Consequenz verfolgte Hauptaufgabe der Physiologie liegt darin, Mittel zu ersinnen, um die Functionen des Menschen in ihren feineren Nüancirungen untersuchen zu können. Sind diese Methoden leicht und schnell ausführbar, so können sie selbst Eingang finden im gewöhnlichen praktischen Leben. 5. Grade der physiologischen Erkenntniss. 1) Man kennt eine Erscheinung vorerst bloss an und für sich und nach ihren Aeusserlichkeiten (Descriptive Physiologie). Im günstigsten Fall gelingt es noch, den Intensitätswerth derselben messen zu können (Aufstellung der so wichtigen physiologischen Durchschnittswerthe und der Schwankungs- grenzen). 2) Man ermittelt von zweien, neben oder nach einander konstant auftreten- den Erscheinungen, dass sie sich gegenseitig verhalten wie Ursache und Wirkung. Unter Umständen lassen sich diese Beziehungen schärfer formuliren, wenn nämlich die Intensitätswerthe beider messbar sind. Man bemerkt dann, dass mit variabler Intensität der Ursache (Urvariabeln) die Grösse der Wirkung (Abhängigvariabein) ebenfalls wechselt. 3) Man weist die Wirkungsweise der, eine Erscheinung bedingenden Ursache nach, d. h. man gelangt zur Theorie der Erscheinung. Die Erklärung wird vollständig und nimmt eine strengere, unwiderlegliche Form an, wenn es, was bei der Complication der organischen Processe bis jetzt nur selten möglich war, gelingt, aus der Grösse der Ursache die Grösse der Wirkung mit Sicherheit bestimmen zu können. Ein Beispiel wird diese 3 Stufen klar machen. Der Athemprocess ist begleitet von einer Ausscheidung von Kohlensäuregas aus dem durch die Lungencapillaren fliessenden Blut in die Luft der Lungenbläschen. Diese Kohlensäuremenge wird bestimmt, man erhält die betreffenden physiologischen Durchschnitts- und Grenzwerthe. Man bemerkt ferner, dass die Kohlensäure zunimmt mit wachsender Zahl der Athemzüge; man ist selbst im Stande, die Abhängigkeit der Kohlensäurewerthe von 1*