Beiträge zur Kenntniss des menschlichen Extremitätenskelets / von W. Pfitzner.

  • Pfitzner Wilhelm, 1853-1903.
Date:
1891-1892
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Credit: Beiträge zur Kenntniss des menschlichen Extremitätenskelets / von W. Pfitzner. Source: Wellcome Collection.

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    Spuren hiervou, d. h. das Auftreten von Varietäten, überall, vom Beginn bis zur Beendigung der Entwicklung, zu erwarten waren. In der Definirung des Normalen ist man überhaupt wohl viel zu apodiktisch-dogmatisch vorgegangen. Graphisch dargestellt, bietet in den meisten Fällen der Gipfel der Curve, die die Summe der zusammen- gehörigen Einzelbeobachtungen ausmacht, nicht eine Spitze, sondern einen mehr oder minder breiten Rücken dar, wenn er nicht noch complicirtere Form annimmt, so dass wir selbst im günstigsten Falle immer mehr eine gewisse Variationsbreite als normal zulassen müssen. Dazu kommt, dass eine solche ex cathedra verkündete Norm gar zu leicht die Unbefangen- heit der Beobachtung beeinträchtigt — sonst würden sich nicht so manche Angaben seit Jahrhunderten von Lehrbuch zu Lehrbuch vererbt haben, die einer eingehenderen Kritik auch nicht einen Augenblick Stand zu halten vermögen. Aber selbst von der Häufigkeit der stärkeren Ab- weichungen, der Varietäten im landläufigen Sinne, hat man wohl nicht immer eine richtige Vorstellung, Mangels genügend zahlreicher und ge- nügend erschöpfender Untersuchungen. Ich selbst war wenigstens ganz überrascht, als ich bei wirklich genauer Untersuchung von 136 mensch- lichen Füssen das eigentlich erst von Baedeleben entdeckte Trigonum tarsi in 10/,, der Fälle als ganz selbständiges, in weiteren l^^U als nur theilweise mit dem Talus verschmolzenes Skeletstück ^) auffand; oder als ich das so selten beschriebene und, wie es scheint, den meisten Anatomen unbekannte Os intermetatarseum Gruber, das selbst einem Hermann v. Meyer nur ein einziges Mal aufgestossen war, in dem kurzen Zeitraum von V\ Jahren 13mal als selbständiges Skeletstück auffand! Indem man aus diesen Gründen den relativ viel zu häufig über- 1) Nach der Niederschrift geht mir zu: Thomsen, Report of the com- mittee of coUective investigation of the anatomical society of Great Britain and Ireland for the year 1889/90 (Journ. of Anat. & Phys., XXV), worin angegeben ist, dass sich bei 438 untersuchten Füssen das Os trigonum 12mal, also nur in 2,7 /^j fand! Ich muss dem gegenüber entschieden behaupten, dass es sich dabei um ganz fehlerhafte Untersuchungen handelt. Derai-tige Untersuchungen können nicht von Ungeübten vorgenommen werden, wenn sie irgend welchen Werth haben sollen. In früheren Jahren sind auf der hiesigen Anatomie im Ganzen nur 4 Fälle von Os trigonum aufgefunden, obgleich Herr Prof. Schwalbe und ich aufmerksam darauf achteten. Als ich dagegen anfing, die Untersuchung auf osteologische Varie- täten systematisch zu betreiben, fand ich in einem Winter in 8 Fällen ein selbständiges Os trigonum; im nächsten Winter gar, als ich mich der Mühe unterzog, jeden erreichbaren Fuss selbst zu skeletiren, fand ich unter 136 Fällen 13 — davon 2, bei denen trotz sorgfältigen Präparirens vor der Maceration keine Andeutung von Selbständigkeit wahrzunehmen war! Solche Untersuchungen wie die oben erwähnten sind schlimmer als gar keine, da ihre Resultate nicht nur werthlos sind, sondern geradezu schaden, indem sie die Wahrheit fälschen. Der „Versuch mit untauglichen Mitteln ist in der Wissenschaft wenigstens strafbar. 6