Der geschmack, perifer und central. ; Der phylogenetischen veränderungen in den sensibelen VII, IX UND X Wurzeln.

  • Kappers, C.U. Ariëns.
Date:
1914
    Dabei miisz betont werden clasz boi den Sdugeni speziell die Zunge als Geschmacksorgan auftritt, eine wichtige Tatsache, die auch in dein Bau der bulbaren Gescbmaoks zentien zui Geltung kornmt. Mit Hinsicht daraiif, dass die Fische im allgemeinen so enorm viel Geschmacks- knospen haben, ist gerade die Tatsache befremdend, dass die Cetaceen — welche dock auch aquotile Tiere sind, so wenige besitzen. E a w i t z') fand die Ge- schmacksbecher der Cetaceen, wenigstena bei Delphimis delphis abwesend. Wunder- bar ist auch dass gerade bei denselben Tieren das Olfactorium so atrophisch ist, oder sogar fehlt. , Die Geschmacksneeven. Nachdem ich biermit die perifere Verbreitung des Gescbmacks- organes im kurzen erwahnt babe, mocbte icb nun die Frage — welcbe dabei nur kurz gestreift wurde — naber besprecben welcbe die Nerven sind die den Gescbmack innervieren. Leider ist diese Frage nocb immer nicbt mit volliger Sicberbeit o-elost und bestebt namentlicb im Kreise der menscblicben Pbysio- O . logen und Kliniker nocb eine grosse Controverse in dieser Hinsicbt. Daruber sind alle einverstanden dass die caudale Gescbmacks- areale der Mundboble und (wo diese best,eben) der Kiementascben innerviert werden vom Glossopbaryngeus und vom Vagus. Aucb beim Menscben bestebt in dieser Hinsicbt kein Zweifel, wenn aucb dort das Vagus Gescbmacksareal bedeutend eingeengt ist und nur sparlicben Fasern des Nervus laryngeus superior diese Funktion zukommt. Was den Glossopbaryngeus anbelangt — der aucb bei niederen Vertebraten ein Hauptgescbmacksnerv ist, ibm bleibt das bintere Drittel der Zunge und der Pharynx von alien Autoren als Gescbmacksareal zugewiesen. Ueber die Innervation des proximalen Gescbmacksgebietcs be- steben aber bedeutende Controversen namentlicb in der menscb- licben Pbysiologie, indem eine ganze Pi.eibe von Forscbern dem Trigeminus diese Funktion zuscbreibt, wabrend andere den Facialis als Gescbmacksnerven der vorderen zwei Drittel der Zunge (und des Gaumens ?) be'tracbten. Die verscbiedene Meinungen diesbeziiglicb sind sebr ilbersicbt- licb und eingebend dargestellt von S b e 1 d o n wabrend aucb ') Rawitz. Beitrage zur mikr. Anatomie dor Cetaceen. II. Ueber die Zunge von Delphinus delphis. „Internationale Monathschrift f. Anatomie und Phyeiologie”, Bd. 20, 1903. *) Sheldon. The phylogeny of the facial nerve und chordat ympani. The Anatomical Record”, Dec. 1909, Vol. III.
    0 p p e 11 h e i m in rler letzten Ausgabe seines Lehrbuches rler Nervenkrankheiten eine sehr eingehende Darstellmig giebt (1913). Audi giebt es Autoren (Z w a a r d e m a k e r’) 1903) welche den Trigeminus nur als Geschmacksnerv der sparlichen dann und wann in der Nase vorkommenden Gescbmadcsknospen betrachten. Fur das proximale Geschmacksareal raochte ich dem VII den Vorrang geben aus folgenden Griinden : lo. Eine Hypertrophie des proximalen Geschmacksareales wie es namentlich bei den Cyprinoiden und Siluroiden vorkonimt (s. o.) geht immer zusammen mit einer Hypertrophie der sensibelen Fadalis- wurzel, nie mit einer Hypertrophie der sensibelen Trigeminuswurzel, der sogar bei Cyprinoiden eher geringer als mehr entwickelt ist als bei sonstigen Fischen. 2o. Wahrend in der Mundhohle, wo sowohl V wie VII Fasern zum vorderen ^(3 der Zunge gehen, noch Zweifel moglich ist tiber die Frage welche von beiden die Geschmacksknospen innerviert, wil’d bei denjenigen Fischen, wo das proximale Geschmacksareal sich ■ liber den Kopf auf den Kumpf oder die Flossen ansdehnt, immer nur eine dementsprechende Ausbreitung der periferen VII nicht der periferen V Aeste gefundeii. 3o. Atrophie des proximalen Geschmacksareales (Vogeln) geht zusammen mit einer Atrojihie der sensibelen VII Wurzel. Hament- lich ist bei den Vogeln, wo"-- die Geschrnacksorgane der vorderen zwei Drittel der Zunge fast vollig fehlen, die Chorda tympani und die intramedullare VII sensibilis winzig klein (vergl. S. 90). Zufalligerweise ist bei vielen Vogeln aber der Trigeminus stark entwickelt. 4o. Alle Autoren — auch die jenige welche den Trigeminus als proximalen Geschraacksnerven betrachten, schreiben der Chorda tympani den periferen Verlauf dieser Proximalen Geschniacksfasern zu. Die Chorda tympani erhalt aber ihre Fasern aus dem Facialis- ganglioii, dem Ganglion geniculi. Bei Durchschneidung der Chorda atrophiert etwa der Zellen dieses Ganglions (Gaetano-) und A m a b i 1 i n 0 3)). Dass aber diese Zellen ihre zentralen Auslaufer in den Trigeminus schicken sollten (etwa durch den Nerv. peti’psus superticialis major) dafiir besteht kein triftiger anatoniischer Grund. *) 1. c. infra. ’) Gaetano. Del nervo, intermediario di Wriaberg e della corda del timpano. „Le Nevraxe”, Vol. VIIT, 1906. 3) A m a b i 1 i n 0. Sui rapporti del ganglio geniculate con la corda del timpano e col faciale. „I1 Pisani”. Vol. 19. 1898.
    5o. Die Chorda tympani wire! von alien rezenten Aiiloren, weiche ihre xlbkunft vergleichend anatomisch untersuchfc haben von einem Facial isast der niederen Vertebra ten abgeleitet. Ich verweise dies bezuglich auf die Originalien und auf die sehr ubersichtliche zusainmen- stellung S h e 1 d 0 n’s (1. c. 1909). Im allgemeinen sei erwahnt dasz er voii E w a r t ^), C o 1 e 2)^ S t r o n g 3) Grreen'^) and Bender'"’) von dem ramus mandibularis internus der Selachier abgeleitet ist. H e r r i 0 k f’) I'uhrt ihn auf denselben Nerven der Teleostier zuriick (1. 0. 1899Menidia und Gadus, 1900) 0 o g h i 11 ') und Bender demonstrierten dasselbe fur die Ampbibien. Ich verweise was das Verhalten bei den Eeptilien und Vogeln anbelangt nanientlich auf die schone Arbeit Benders (1. c.). Ach miissen wir den ramus petrosus superficialis major als ein Facialis ast betrachten, wie Dixon 8), Cole (1. c) Herrick (1. c.) nachwiesen, ebenso wie W e i g n e r *^) und Streeter 1*^) bewiesen dass die Zellen (iieses Astes im Ganglion geniculi liegen. Wenn also La.sionen dieses ISTerven (der u. m. die Eami palatini abgiebt fur den Geschmack des Gaumens) Geschmacksstohrungen giebt diirfen diese nicht als ein Argument zu Gunsten des Trigeminus angefiihrt werden. Betrachten wir hier gegeniiber die Argumente derjenigen, weiche dem V die Eolle eines Geschmacksnerven zuschrpioen so sehen wir dasz diese hauptsachlich beruhen auf der Angabe, namentlich von Krause ») gemacht, dasz bei der Exstirpation des Ganglion ’) Ewart. On the cranial .nerves of Elasmobranch fishes Proc. Koy. Soc. London, Vol. 45, 1889. Cole. On the cranial nerves of Chimaera monstrosa withn. discussion of the lateral line system and the morphology of the cliQrda tympani Transactions of the Roy. Soc. in Edinburg, Vol. 38, 1896. ’) Stong. The cranial nerves of Squalus acantbias. Science, Vol. 17, 1903. h G r e en. On the Homelogy of the chorda tympani. „Journ. Comp Neur.”, V. 10. Bender. Die Schleimhautnerven der VII, IX und X. Fischer, Jena. ) H e 1 r i c k. The cranial and first spinal nerves of Menidia. „ Journ. of Cemp. Neurol.’’, Vol. 9, 1909. Derselbe: A contribution upon the cranial nerves of the Codfish. „Journ. of Comp, Neur.”, Vol. 10, 1910. Coghill. The cranial nerves of Amblystoma tigrinum. „Journ. of Comp Neurol.”, Vol. 12, 1912. ") Dixon. The sensory distribution of the VII nerve in man. „Journ. of Anat and Physiol.”, Vol. 33. 1899. ") Weigner. Ueber den Verlauf des Nervus intermedins. Merkel und Bonnet, Anatom. Hefte, Bd. 29, 1905. '“) Streeter. The periferal nervous system in the human embryo at the end of the first month. ..American Journ. of Anat.”, Vol. 8, 1908. ") P. Krause. Die Neuralgie des Trigeminus nebst der Anatomie und Phvsio- logie des Nerven. Leipzig, 1896.
    Oasseri, der Gescliraack auf der vordereii Zunge im Aufang oft gestohrt ist. Sherrington fand dies auch experimentell bei Affeni). Wallenberg^) der eine teilweise Trigerninusgangliondegene- ration untersucbte, wobei auch der nervus lingualis degeneriert war, constatierte dass Tactilitat und Gescbmaok des linken Zungen- riickens gestohrt wareii (Eigentiimlicherweise war auf der Spitze der Zunge der Geschmack nicht gestohrt). Ich mochte nun sofort hervorheben, dass bereits Bruns darauf hingewiesen hat, dass bei Ganglion-Gasseri-extirpation die Geschmack- stohrung erheblich variieren kann (1. c. infra). 0 u s h i n g 3) betont ausdriicklich dass er nach V Exstirpation keine bleibende Gescbmackstobrung wabrnimmt. Ebenso D a v i e s ^) und D a n a 5). Davies, dessen Arbeit iiber dieses Tbema ich sehr empfele fand in 17 g-ut uutersuchten Fallen von Trigeminus-exstirpation 15 Mai den Geschmack vollig ungestohrt, Cushing in 17 von 18 Fallen keine Stobrung, bei Untersucbung einen Monath nach der Operation. Sogar bescbrieb Bruns®) einen gut untersuchten Fall wobei die linkseitige Total exstirpation des Ganglions gut geluugen war und der Geschmack dinks ungestohrt ex’scbien. Dieser Fall ist umsomehr wertvoll fur uns weil bei demselben Patienten, an der recbten Seite eine Facialislahmung bestand, die mit Gescbmackstobrung auf der vorderen recbten Halfte der Zunge zusammenging. L u s s a n a 7) spricht sicb kliniscb bestimmt fiir den VII aus und D e 1 p r a t ®) fand in einem Fall von doppelseitiger centraler VII Parese den Geschmack auf der Zunge sehr gestohrt. Beziigl. K 0 s t e r siebp Fusznote 2, S. 96. 1) Sherrington. Philosophical Transactions (Vol. 190. 1898, p. 56). ’) Wallenberg. „Deutsche Zeitschrift fur Nervenheilkunde”, Bd. XL 3) The taste fibres and their Independance of the N. trigeminus. The Johns Hopkins Hospital Bulletin Vol. 14, 1903, S. 71. Derselbe. The sensory distribution of the cranial Vth nerve. Ibidem Vol. 15, 1904, p. 25. '•) Davies, The functions of the trigeminal nerve. Brain, 1907. S. 219. •'5) D a n a. A case of paralysis of the Trigeminus folowed bij alternate hemi- plegia — its relations to the nerve of taste. „Journal of nervons and mental disease, Vol. 13 ; 1886, p. 65. «) Bruns. Multiple Hirnnerven lasion nach Basis fractur. Archiv f. Psychiatrie, Bd. XX. ") Lnssana, Gaz. med. italiana Prov.-Venete. Faso. 42, 44, 45, 46. Sui Nervi del gusto. ®) Del prat, Centrale dubbelzijdige Facialisparese „Ned. Tijdschrift voor Geneesk.” 1890, Deel II S. 697.
    Andererseits giebt es Fiille von Trigeminus paralyse wo auch der Geschmack auf den hinteren Drittel der Zunge gestohrt war — welche doch consensu omnium vom IX innerviert wird. Ich kann mich denn auch nur Z w a a r d e rp a k e r i) (1903) anschliessen wo er sagt, dass aus denjenigen Fallen, wo nach Paralyse Oder Exstirpation des Ganglion Gasseri der Geschmack gestohrt war noch nicht geschlossen werden darf dasz es der Trigeminus ist, welche die Geschraacksinnervation fur dieses Gebiet iibernimmt. Volkommen analoges namlich ist mit Riicksicht auf dem Geruchsinn festgestellt worden. Sowohl von Krause als von W e r t h e i m Salomonson wurden chirurgische Falle beobachtet, wo nach V Durchschneidung an der operierten Seite nicht nur Geschmacks- lahmung, sondern auch Anosmie aufgetreten war und auch in W a 11 e n b e r g’s Fall war der Geruch links gestohrt (1. c.). Am moisten vor der Hand liegend ist es sowohl die Ageusie als die Anosmie als secundare Erscheinung aufzufassen, welche vielleicht in Folge des Ausfalles von dem Sinnesapparat schtitzender Keflexe auftritt. (Z w a a r d e m a k e r 1. c. S, 705). Wertheim Salomonson teilte mir personlich als seine Meinung mit, dass in denjenigen Fallen, wo nach V Exstirpation der Geschmack gestohrt ist, dieses wohl eine Folge sein kann von der infolge der Trigeminusdurchschneidung auftretenden trophischen Stohrung der Zungenoberflache. Mit Hinsicht nun auf diese AufFassungen 2) und auf die Wahrschein- lichkeit dass Geschmackswirkung und Tastwirkung auch beim Men- schen gewohnlich gemeinschaftlich thatig sein miissen bei der Beur- theilung schmeckender Substanzen will ich hier noch hinweisen auf die bereits auf den ersten Seiten dieser Arbeit erwahnten Befund von Herrick dass die Kahrungsreaction auf Geschmack bbi Fischen gew5hnlich nur durch Zusammenarbeiten von Geschmack und Tastsinn ausgelost wird und dass Wegnahme von einem von beiden geniigen kann um das Ausbleiben der Peaction hervorzurufen. ') Zwaardemaker. Ergebnisse der Physiologie 2ter Jahrgang, Bd. II, S 703. Leider hat derselbe Autor aber in dem Artikel Geschmack in T i g e r s t e d t’s Handbnch (1913) wohl den Trigeminus und nicht den VII als Geschmacksnerven erwahnt, Obschon gerade zwisschen 1903 und 1913 die Arbeiten von Gushing und Davies fallen. ’) Roster (im „Deutschen Archiv f. Klin. Med.” Bnd. 68, 1900, S. 343 und 50o) betrachtet in seiner lesenswerthen Arbeit den VII nicht als Geschniacks- nerven (S. 518) und bezieht sich dabei namentlich auf seine Falle 33, 40 uiul 41, welche mich aber nicht iiberzeugen konnen, um so weniger weil Fall 33 einer Luetiker betrifl't und Roster selber angiebt dasz Gesmacksfasern viel widerstandsfahiger sind als motorische Fasern.