Phytopathologie. Die krankheiten der culturgewächse. Für land- und forstwirthe, gärtner und botaniker / bearbeitet von Ernst Hallier.

Date:
1868
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Credit: Phytopathologie. Die krankheiten der culturgewächse. Für land- und forstwirthe, gärtner und botaniker / bearbeitet von Ernst Hallier. Source: Wellcome Collection.

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    Die meisten Cultiiipflanzeii leben unter Verhältnissen, welche ihren Stammeltern in der Wilclniss fremd waren und daher haben sie sich so verändert, dass man meistens die Eltern gar nicht wieder erkennt; — der einfache Grund, warum die Stammeltern und das Vaterland fast aller Culturgewächse unbekannt sind. Oft aber ist es ja gerade der Zweck der Cultur, eine krankhafte Ausbildung gewisser Organe zu bewirken. Ge- Aviss sind es krankhafte Erscheinungen, wenn z. B. der Stengel einer Kohlpflanze (Kohlrabi) oder der AVurzelstock verschiedener Gewächse (Rüben) ungewöhnliche Anschwellungen erleiden. Mit dem nämlichen Recht wird man die ungewöhnlich vergrösserte Leber der Gänse als krank bezeichnen. Krankheit ist es, wenn die cultivirten Pomaceen (Apfelfrüchte) eine ungcMÖhnlich fleischige Eutwickelung der Blüthenscheibe (Apfel, Birne, Quitte, Mispel u. s. w.) zeigen und die Frage, ob solche krankhafte Um- bildungen der Culturpflanzen nicht ausser den beabsichtigten Modifica- tionen noch andere weniger wünschenswerthe mit sich bringen, ist keines- wegs ohne Weiteres bei Seite zu schieben. Dass z. B. die höchste Cultur und Verfeinerung der Obstbäume eine schwächlichere Ausbildung der Vegetationsorgane und dadurch oft eine verkürzte Lebensdauer zur Folge hat, unterliegt keinem Zweifel. Schlei- den ist nur deshalb in diesem Puncte so oft und gründlich missver- standen worden, weil er die durch Schmarotzer bewirkten Krankheiten mit in den Kreis krankhafter Anlagen zu ziehen versuchte. Hier war er, bei den meisten Vorkommnissen wenigstens, im Irrthum, wie Kühn'), TuLASNE und Andere nachgeA^desen haben. Es liegt aber auf der Hand, dass die Grenze zwischen krankhaften und normalen Erscheinungen äusserst schwer zu ziehen ist, denn oft ist eine geringe Abweichung vom Normalt\^jus bemerklich, ohne dass eine krankliafte Lebensäusserung nachzuweisen wäre. So z. B. hat Kerner ^) in einer äusserst lehrreichen kleinen Schrift den NachAveis geliefert, dass gcAvissen kalkliebenden Arten von Alpenpflanzen andere auf Sandboden entsprechen. Beide leitet er von einer gemeinsamen Stammform ab. Solche Modificationen, welche sich in der Farbe, Form und Grösse der Blüthentheile, in der Behaarung, Drüsenbildung u. s. aa'. darstellen, Avürde man ungern als krankhaft be- zeichnen und doch kann z. B. Kalkboden auf eine sandliebende Pflanze entschieden krankhaft modificirend eiuAvirken. Wo ist hier die Grenze l Wir werden sie schAverlich ziehen können, sondern müssen darauf ver- zichten, eine unter allen Umständen zu treffende Definition vom Krank- 1) J. KÜHN, Die Krankheiten der Culturgewächse, ihre Ursachen-und ihre Ver- hütung. Berlin, 1859. 2) A. Kerner, Die Kultur der Alpenpflanzen. Innsbruck,