Nichtarzneiliche Therapie innerer Krankheiten : Skizzen für physiologisch denkende Aerzte / von Dr. Buttersack.

  • Buttersack, Felix Eberhard, Dr., 1865-
Date:
1903
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Credit: Nichtarzneiliche Therapie innerer Krankheiten : Skizzen für physiologisch denkende Aerzte / von Dr. Buttersack. Source: Wellcome Collection.

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    Lücken unserer Kenntnisse von dem physiologischen Geschehen gleitet der moderne exakte Forscher mit der ruhigen Sicher- heit des Nachtwandlers vorüber. Dass aber psychische Eindrücke, Leidenschaften, ihrer- seits direkt zu Krankheiten führen könnten, davor schrecken heute doch die meisten zurück, obwohl viele, von der sog. exakten Richtung hochgeschätzte Männer, wie Morgagni, Bonnetus, Gaub, Lieutaud, Senac, Corvisart, Wal- denburg1) nicht abgeneigt waren, Organerkrankungen auf Gemüts Wallungen zurückzuführen, namentlich auf häufig wieder- kehrende, „plantees en nos entrailles“, wie Montaigne schrieb. Tissot2) drückt sich vielleicht am zutreffendsten aus mit den Sätzen: „Toutes les passions agissent sur l’or- ganisme . . . Si eiles agissent longtemps et fortement, elles peuvent determiner des perturbations et des vices qui de- viennent le principe de maladies.“3) Die Gelbsucht nach Aerger, die Angstdiarrhoe, die ver- mehrte Urinproduktion bei Erwartung, die Schamröte, die Aenderung der Am menmilch nach Aufregungen u. s. w. sind jedenfalls nicht wegzuleugnende Effekte psychischer Vorgänge. Und ebenso dürften die somatischen Ausdrucksbilder von Zorn, Aerger, Furcht, Angst und Entsetzen, sowie anderer- seits von Selbstvertrauen, Stolz, Hochmut mit ihrem spezi- fischen Verhalten der Muskelspannung, Drüsentätigkeit, Ge- fässinnervation u. s. w. kaum Jemand unbekannt geblieben sein. Wir wissen also, dass bestimmte psychische Stimmungen und Gefühle, Leidenschaften, dem Gesicht wie der ganzen Haltung ihr eigentümliches Gepräge geben, und Niemand wird so fanatisch „exakt“ sein, dass er eine ähnliche Beeinflussung 1) Der Passus bei Waldenburg (die Messung des Pulses und des Blutdruckes am Menschen. Berlin 1880. S. 66—67) über die Wir- kung psychischer Affekte auf Puls, Zirkulation, Blutverteilung u. s. w. und auf ihre, bei dauernden Affekten, Bedeutung als Krankheitsursachen könnte von nicht wenigen mit nicht geringem Nutzen gelesen und be- herzigt werden. —- Gaub, Institutior.es pathologiae medicinalis. § 543. 2) Essai sur les maladies des gens du monde. Lausanne 1770. 3) „Der Affekt wirkt wie ein Wasser, das den Damm durchbricht; die Leidenschaft wie ein Strom, der sich in seinem Bette immer tiefer eingräbt. Der Affekt wirkt auf die Gesundheit wie ein Schlagfluss, die Leidenschaft wie eine Schwindsucht oder Abzehrung.“ (Kant, Anthro- pologie. II. *Aufl. 1800. S. 204.)